Uns erreichte direkt nach der Pink Jukebox Trophy 2020 folgende Nachricht unseres Partner_innen-Verbandes in UK:
„Am Sonntag, den 16. Februar 2020, wurde auf der Jahreshauptversammlung des UKSSDC im Bishopsgate Ballroom in London mit einer Mehrheit (mehr als zwei Drittel der verfassungsmäßigen Beschlussfähigkeit) beschlossen, den Namen unserer Organisation in "United Kingdom Equality Dance Council" zu ändern.
Wir aktualisieren den Namen der Organisation, um ihre Relevanz für die Mitglieder, denen sie dient und die sie vertritt, zu erhalten, ohne ihre Geschichte zu vergessen, aber um einen noch einladenderen Namen für diejenigen zu schaffen, die sich mit unserer Kultur und unserem Ethos in Bezug auf den Paartanz identifizieren würden.
Wir sind der Meinung, dass die Streichung der Formulierung "same sex" und die Ersetzung durch "Equality" dazu beiträgt, negative Konnotationen im Zusammenhang mit der Verwendung des Wortes "sex" abzuschwächen, insbesondere wenn wir Mitglieder haben, die sich mit dieser Formulierung nicht identifizieren würden. Wir wollen allen Mitgliedern das Gefühl geben, dass sie willkommen sind, dass sie einen Platz haben und dass sie nicht in eine bestimmte Kiste passen sollten.
Diese Änderung ist von sofortiger Wirkung, es wird jedoch Zeit brauchen, um unsere gegenwärtige Marke zu ändern und unsere Öffentlichkeitsadressen umzubenennen. Bitte habt Geduld mit uns, wenn wir diese Änderungen in den kommenden Wochen umsetzen. Alle bestehenden Kontaktdaten bleiben vorerst unverändert.
Wir freuen uns, gemeinsam auf eine neue Reise zu gehen, und wir freuen uns darauf, mit Euch allen unter unserer neuen Marke zusammenzuarbeiten.“
Nun könnten wir uns als der Verband, der seit der Gründung bereits „Equality-Tanzen“ im Namen trägt, zurücklehnen und denken: „Schön, dass Ihr auch endlich drauf gekommen seid……“. Dem ist aber nicht so.
Es ist ja nicht so, dass die Gründer_innen des DVET anno dunnemals 2008 den „gender diversity“-Gedanken damals so wirklich auf dem Schirm hatten. Sie wollten mit „Equality“ schon zum Ausdruck bringen, dass es kein starres Rollenverständnis im Paar gibt, so wie im Mainstream-Tanzsport - sondern dass beide Tanzpartner_innen gleichberechtigt sind und der Führungswechsel zumindest möglich ist (aber natürlich nicht verpflichtend!). Aber an Trans*, Inter*, non-binary… hat damals niemand so wirklich gedacht. Erst ein paar Jahre später (das können wir nach historischer Recherche in die Jahre eindeutig zwischen der Veröffentlichung des Leitbildes 2013 und der Veröffentlichung der Turnierregeln 2016 ansiedeln) kam der Gedanke, auch unseren Freund_innen, die sich nicht als Teil eines Frauen- bzw. Männerpaares fühlen, eine Heimat bieten zu wollen. Im Oktober 2016 veröffentlichten wir die Turnierregeln, die eigentlich eine kleine Sensation enthielt: Die Öffnung der Turniere für „alle…, die nicht in das hegemoniale Frau-Mann-Schema hineinpassen oder hineinpassen wollen, abweichende Geschlechter, wie Intersexuelle, Transgender oder Transsexuelle.“. Nur merkte es keine_r. Also veröffentlichten wir als Sportausschuss anderthalb Jahre später eine Newsmeldung, in der wir Tänzer_innen aufforderten, von dieser Regelung Gebrauch zu machen:
Jedes Paar, das bei einem Equality-Tanzturnier tanzen will, aber auch bei Berücksichtigung des selbstgewählten Geschlechts nicht ein „gleichgeschlechtliches“ Tanzpaar wird, meldet sich am besten beim Sportausschuss. Wir werden eine Lösung finden, die grundsätzlich dem Willen des Paares entspricht. Wir hatten uns für individuelle Einzelfalllösungen entschieden, weil wir erst die Wünsche und Erwartungen der Paare kennen lernen müssen und erste Erfahrungen auswerten wollen. Bitte sprecht uns an!
Immerhin hat diese Nachricht 1700 Zugriffe….. In Paris wirkte es fast so, als hätten auch unsere philippinischen Freund_innen unseren Aufruf (wir könnten es auch „Bitte“ nennen) erhört? Trotzdem müssen wir berichten: Es kommen nicht allzu viele Tänzer_innen auf den Sportausschuss zu, um eine „Einzelfalllösung“ zu erfragen. Wir wissen nicht, ob die Regelung nicht bekannt genug ist, oder nicht einladend genug. Wahrscheinlich weder noch – wie die Diskussionen im Nachgang zu der Aktion von Henri & Jan zur Pink Jukebox Trophy erahnen lassen (siehe auch Bericht „Caught in the gender trap“v von Jan Himme auf pinkballroom.de).
Aber wir sind ja auch nicht alleine - um uns herum dreht sich die Welt auch noch:
• Die ESSDA (unser europäischer Verband für Equality-Tanzsport, auch wenn er -noch - anders heißt) hat das Projekt „trans inclusion in same-sex/equality dance“ gestartet. Sie suchen trans und nichtbinäre Menschen, die gewillt sind, ihre Erfahrungen zu teilen und ihr Erwartungen an die ESSDA zu adressieren. PJ Macleod ist zuständig für das Projekt und freut sich über jede Kontaktaufnahme.
• Der Deutsche Olympische Sportbund hat die Initiative „Wir für Vielfalt“ gestartet. Der DVET war auch bei der BundesNetzwerkTagung der queeren Sportvereine 2019 (BuNT) im November in Hamburg vertreten, die u.a. vom DOSB veranstaltet wurde. Weitere Informationen: https://gleichstellung.dosb.de/themen/wir-fuer-vielfalt
Wir werden uns im DVET weiterhin mit diesen Initiativen austauschen. Im Sportausschuss werden wir in jedem Fall weiter diskutieren, ob Frauen-/Männerpaare noch eine zeitgemäße Definition für Turniersport sein kann bzw. wie der Equality-Tanzsport inklusiver werden könnte. Dabei sind für uns folgende Fragestellungen auch abzuwägen:
• Wie kann die Abgrenzung zum Mainstream-Tanzsport erhalten bleiben?
• Wie kann eine neue Regelung gestaltet sein, dass sie nicht zum Nachteil anderer Tanzenden führt?
Gerne diskutieren wir das Thema auf dem Verbandstag des DVET und besprechen dort das weitere Vorgehen, wie die Regelungen weiterentwickelt werden können. Der Sportausschuss steht für Fragen und Anregungen jeder Zeit zur Verfügung.
Text: Kerstin Kallmann - Sportausschuss DVET
Fotos: Jan Jules Himme - Berlin