Symposium von pinkballroom zum Thema „Equality-Paare auf DTV-Turnieren?” am 23.06.2024 - Berichterstattung
Vor fast zwei Jahren hatten wir bereits ein Symposium zum Thema „Tanzen jenseits von Geschlechterrollen im DVET und DTV?“ veranstaltet. Damals hatten wir auch die Frage gestellt, wie wir die Öffnung des
Mainstream-Tanzsports beim Deutschen Tanzsportverband (DTV) für Equality-Paare erreichen können. Damals gab es die Öffnung bereits im United Kingdom und eine entsprechende Entscheidung war gerade beim Österreichische Tanzsportverband (ÖTSV) gefallen. Zwischenzeitlich erstarkt das Interesse an dem Thema sowohl auf Seiten der Equality-Paare als auch auf Seiten des DTV. Der DVET hatte vor diesem Hintergrund pinkballroom gebeten, in einem Symposium die verschiedenen Facetten sowie Chancen und Risiken näher zu diskutieren, so dass der DVET auf dieser Basis die weiteren Schritte überdenken kann.
Also trafen am Nachmittag des 23.06.2024 – also am Tag nach den Berlin Open 2024 – Tänzer*innen sowie Verbandsvertreter*innen zusammen. In der Hybrid-Veranstaltung von 13:00 bis 15:00 diskutierten insgesamt 25 Personen (13 Personen vor Ort und 12 Personen online) miteinander.
Einführung durch Kerstin Kallmann
Bisher hatte sich der DVET sehr zurückhaltend ggü. einer möglichen Öffnung der Mainstream-Turniere (im Folgenden DTV-Turniere) verhalten, weil er vor allem ein erhebliches Risiko darin gesehen hat, dass die Sporthoheit für Equality-Turnieren Schaden nehmen könnte. Das Risiko sehen wir darin, dass eine Öffnung allein in eine Richtung schwer vermittelbar und damit schwer haltbar sein könnte. Wir entnehmen aber sowohl auf Seiten der DVET-Paare als auch auf Seiten des DTV Bewegung:
- Einige Equality-Paare bringen mit stärkerer Vehemenz ihre Forderung vor, an DTV-Turnieren teilhaben zu können und sie bringen weniger Verständnis für den weiteren Ausschluss durch den DTV, ein Trend, der sich ja auch in anderen Gesellschaftsbereichen zeigt. In den sozialen Medien wird darüber hinaus das Thema stärker diskutiert.
- Der DTV hat nicht nur kürzlich seine Formationsturniere bis zur 2. Bundesliga für Equality-Paare geöffnet und in seine Paardefinition auch diverse Personen aufgenommen, sondern zeigt eine stärkere Diskussionsbereitschaft. Einige Landesverbände möchten die Öffnung des DTV für Equality-Paare offensiv voranbringen.
Es scheint vor diesem Hintergrund weniger eine Frage, ob eine Öffnung kommt, sondern viel mehr eine Frage wann und wie sie erfolgt. Insofern will der DVET eine Haltung entwickeln, wie diese Öffnung aussehen könnte und nachfolgend mit dem DTV ins Gespräch kommen
Mit folgenden kurzen Einführungsstatements startete der Austausch:
- Thorsten Reulen, Sportwart des DVET: Er erinnert sich, dass bereits in den Anfängen des Equality-Tanzsports über die Möglichkeit diskutiert wurde, in den DTV-Turnieren mittanzen zu dürfen. Die Entscheidung fiel damals aber schnell auf die Lösung, eigenständige und vom DTV unabhängige Equality-Turniere zu veranstalten. Aus seiner Sicht als Sportwart spricht aus Gründen der Fairness auch vieles für diese getrennten Turniere, weil wie z.B. beim Tennis die unterschiedlichen Disziplinen (gemischte Paare, Frauen*-/Männer*-Paare) schwer vergleichbar sind. Für ihn sind die offenen Turniere zwar etwas für die „Außenwirkung“ aber aus sportlichen Gesichtspunkten fragwürdig.
- Cornelia Wagner, pinkballroom, Tänzerin & Turnierveranstalterin: Als Tänzerin hat sie kein Interesse, bei DTV-Turnieren mitzutanzen, weil die aktuelle TSO des DTV keine alternativen Rollenverteilungen, keine Führungswechsel und nur eine stark begrenzte Auswahl der Turnierkleidung zulässt. Die TSO lässt ausschließlich ein Tanzen im Rahmen einer heteronormativen Rollenaufteilung zu und dies entspricht – aus Ihrer Sicht – auch den Sehgewohnheiten und Vorstellungen von Wertungsrichter*innen, Offiziellen und Publikum. Schon auf reinen Equality-Turnieren gäbe es einen Trend der Turnierpaare, sich diesen Sehgewohnheiten anzupassen, es reicht ihr vollkommen aus, sich bei diesen Anlässen gegen diesen Trend behaupten zu müssen. Gäbe es allein DTV-Turniere (wenn auch inkl. Equality-Paare) würde sie kein Turnier tanzen – nicht nur wegen der Stimmung. Als Mitglied der Abteilungsleitung einer Tanzsportabteilung und Mitausrichterin von DTV- und Equality-Turnieren macht sie sich Sorgen, dass eine unkontrollierte Öffnung, d. h. ohne wohl überlegte Regeln, eine zwangsweise Öffnung der Equality-Turniere für Mainstream-Paare zwingend erforderlich mache. Dadurch würde aus ihrer Sicht ein zusätzlicher organisatorischer (wegen der unterschiedlichen Regeln und formalen Anforderungen) und zeitlicher Aufwand entstehen. Zudem hätte sie Sorge dass die Community zerfällt. Für sie ist eine Öffnung des DTV dennoch vor dem Hintergrund von Gleichberechtigung und Gleichstellung aller unausweichlich. Sie hofft, dass alle Beteiligten so viel Geduld aufbringen können, dass eine gute Lösung für den Schutz der Equality-Turniere gefunden werden kann.
- Rafal Chmiela & Grzegorz Dyrda, Polen/Österreich, starten zwischenzeitlich in Österreich und für den ÖTSV auf Mainstream-Turnieren: Für sie bietet der Start auf Mainstream-Turnieren die Möglichkeit, mit herausfordernder Konkurrenz zu tanzen und zusätzlich deutlich mehr Turniere mit akzeptablen Reisekosten zu tanzen, als der Equality-Kalender sie hergibt. Sie ernteten viel Anerkennung und Zuspruch auf diesen Turnieren und waren überrascht darüber, dass es bisher keine kritischen Stimmen auf diesen Turnieren gab. Es gab zwar ein paar wenige kritische Blicke, aber keine offene Feindseligkeit.
- Damian Spyrka, Marc und Damian haben auf der Rosa Wölkchensitzung 2024 viel Verständnis für ihren Wunsch geerntet, endlich auch auf einem DTV-Turnier mittanzen zu können: Beide hatten vor ihrer Equality-Tanzkarriere getrennt im DTV mit Partnerinnen getanzt und schätzen diese Erfahrung vor allem aufgrund der höheren Anzahl an Turnieren und der größeren Konkurrenz. Sie haben auch als Equality-Paar in Kopenhagen und UK an Mainstream-Turnieren mitgetanzt und vor allem Anerkennung erfahren. Wenn auch vereinzelt anfängliche Irritationen vorkamen, zeigte sich dann doch schnell ein Aha-Effekt. Sie sehen somit die Öffnung auch als eine Möglichkeit, mehr Anerkennung für den Equality-Tanzsport zu erreichen.
- Tania & Ines Dimitrova, Tänzer*innen von pinkballroom: Sie hatten bereits auf einem Mainstream-Turnier in Blackpool getanzt und sehen die mögliche Entwicklung zwiegespalten: Einerseits ist die Möglichkeit, mehr Turniere tanzen zu können, auf diesen mehr Leistungsvergleich zu haben und zusätzlich auch noch die Inklusion zu fördern sehr attraktiv. Andererseits sehen sie das Risiko, dass bei einer möglichen vice versa Öffnung der Equality-Turniere die Community verloren gehen könnte. Sie möchten selbst, gerne DTV-Turniere auch in Deutschland mittanzen, sie glauben nicht, dass Sie aus diesem Grund auf die Teilnahme an Equality-Turnieren verzichten würden.
- Thorsten Dreyer, UK Equality Dance Council (UKEDC, Thorsten war selber nicht anwesend, aber Kerstin teilte seine Informationen nach dem Interview vom Vortag): Er berichtete, dass der UKEDC zum Zeitpunkt der Öffnung des Mainstream-Tanzsports eine neutrale Position bezog. Die Öffnung wurde in erster Linie von einzelnen Paaren gefordert. Damals war der Vorgang in der Community umschritten, inzwischen hat sich die Diskussion allerdings entspannt. Der UKEDC hat in den letzten zwei Jahren seine Strategie angepasst und die Inklusion in den Mainstream-Tanzsport als neue Aufgabe explizit aufgegriffen. Der UKEDC macht zwar weiterhin keine explizite Werbung für die Teilnahme an diesen Turnieren, will sich aber verstärkt durch Hilfestellungen für Wertungsrichter*innen und ausrichtende Vereine für faire Bedingungen für die Equality-Paare auf den Mainstream-Turnieren einsetzen.
- Ole Ebeling, TSC Hansa Syke sind aktuelle Deutsche Meister*innen der Showgruppen und haben mit Unterstützung aus dem DTV die Öffnung von Formationswettkämpfen im DTV für Equality-Paare erreicht: Während Corona hat auch beim TSC der Verlust von Tänzer*innen zu prekären Situationen bei den Formationen geführt – insbesondere auf Seiten der Männer. Der Verein hat aufgrund dieser Notsituation vermehrt auf das Solo-Tanzen und die reinen Frauen-Formationen gesetzt und mit letzteren in den Hobby-Ligen Erfolge gefeiert. Das Kennenlernen des Equality-Tanzsports war für den Verein und die Formation die Möglichkeit, aus der Not eine Tugend zu machen: Die Frauenformation erfährt dort eine eigenständige sportliche Anerkennung und emanzipiert sich von der Rolle als DTV-Formation ohne Männer. Auch kann sie sich als reine Frauenformation sportlich weiterentwickeln, indem bspw. Führungswechsel als Element des Equality-Tanzsports trainiert werden. Sie möchten ihre Attraktivität für Equality-Paare erhöhen. Ole unterstreicht, dass wir mit einer besseren Vernetzung der verschiedenen Verbände die bestehenden Möglichkeiten für die Tänzer*innen besser bekannt machen können. Bis zum Jahre 2023 kannten weder sie Equality-Tanzen noch wir im DVET Hobby-Liga-Formationen – und die damit jeweils verbundenen Möglichkeiten. Der Verein TSC Hansa Syke orientiert sich vermehrt hin zu andere Tanzsportverbänden, außerhalb der WDSF/des DTV, weil sie sich dort mit ihren Anliegen besser aufgehoben fühlen und mehr Unterstützung erfahren.
- Peter Steinerberger & Thomas Marter, vom Österreichischen Tanzsportverband (ÖTSV) zugeschaltet während einer Bergtour (von 13:30 bis 14:30 dabei): Die Öffnung aller Turniere des ÖTSV für Equality-Paare seit Anfang 2023 wird in Anspruch genommen, jedoch nur von wenigen Paaren. Die Equality-Paare in den höheren Startklassen erfahren bislang überwiegend Aufmerksamkeit und Anerkennung. In den unteren Klassen gibt es bislang keine (negative) Resonanz. Die parallelen Reaktionen des ÖTSV auf den Rückgang der Tänzer*innenzahlen (Solo-Turniere) sorgen „erfolgreich“ dafür, dass weibliche Tänzer*innen (vielleicht anders als erwartet) nicht als Equality-Paare starten.
Nachfolgend wurde die Diskussion für alle Teilnehmenden geöffnet und anhand von Themenclustern diskutiert.
Wie kam es bisher zu der Öffnung für Tänzer*innen auf den Mainstream-Turnieren? Wie kontrovers waren die Prozesse? Welche Errungenschaften wurden genau erreicht? Wie ist aus Verbandssicht die Erfahrung? Tanzen viele Equality-Paare im Mainstream?
Peter & Thomas/ÖTSV berichteten, dass eine Öffnung war rechtlich notwendig aufgrund der Einführung des dritten Geschlechts, so dass die Diskussion schon mal eröffnet war. Equality-Paare waren zwar bereits für Breitensport zugelassen, jedoch nicht für Leistungssport, so dass zahlreiche Equality-Paare zwar besser wurden aber als Ergebnis davon vom Parkett verschwanden. Diese Entwicklung war nicht im Sinne des ÖTSV. Eine Arbeitsgruppe hat über ein Jahr die Regeln erarbeitet, z.B. Anpassung der Kleiderordnung, Zuordnung zu Klassen. Die wesentliche Regel besagt, dass in einem Paar eine führende und eine folgende Person tanzen (innerhalb eines Tanzes darf die Führung nicht gewechselt werden). Die größten Widerstände wurden aufgrund der mangelnden Vergleichbarkeit der verschiedenen Tanzpaare vorgebracht, aber am Ende wurde dem Vorschlag einstimmig zugestimmt.
Thorsten Dreyer/UKEDC berichtete dagegen, dass die Öffnung der Mainstream-Turniere in UK vom British Dance Council (BDC) nicht freiwillig vollzogen wurde: Ein Paar hatte den BDC verklagt. Eigentlich waren die Richtlinien bereits vorher offen – und Frauenpaare nahmen regelmäßig an Mainstream -Turnieren teil. Als ein Männerpaar auf Basis der offenen Regeln mitgetanzt hatte, wollte der BDC die Regeln so anpassen, dass ein Paar zwingend aus einem Mann und einer Frau zu bestehen hat (analog zu DTV). Gegen diese Anpassung hatte das Männerpaar mit Begründung des Gleichstellungsgesetzes geklagt – und gewonnen. Die Regeln wurden auf dieses Urteil hin so angepasst, dass seitdem ein Paar aus einer führenden Person sowie einer folgenden Person besteht (Führungswechsel sind auch hier nicht erlaubt). Regelmäßig tanzen drei bis max. 5 Paare meist aus den A-Klassen in den Turnieren mit. Auch der Zustrom aus anderen Ländern hält sich in Grenzen (max. 1-2 Paare aus Nicht-UK). Die Paare werden meistenteils wohlwollend behandelt, allerdings passen sich die Paare auch sehr stark dem Mainstream-Erscheinungsbild an. Es gibt keine Kleiderordnung in UK, die Männer*-/Frauen*-Kleidung definieren würde.
Das Vorhaben zur Öffnung der Formationsturniere hatte laut Ole der TSC Sykefast drei Jahre lang betrieben. Ein wichtiger Schritt war der Abschied von Syke (und anderen Formationen) aus dem Ligabetrieb des DTV, so dass die Bundesliga schmerzliche Verluste zu verzeichnen hatte. Syke wechselte damit zur Hobbyliga. Vor allem aber starke Fürsprecher aus dem DTV haben dafür gesorgt, dass die Möglichkeit, dass Formationen bis zur 2. Bundesliga aus bis zu 50% Equality-Paaren bestehen können, kürzlich beschlossen wurde.
Welche Erfahrungen haben die Paare gemacht, die bisher schon in Mainstream-Turnieren getanzt haben? Wie ist es Ihnen ergangen? Fühlten sie sich willkommen? Fühlten sie sich angemessen bewertet?
Damian ergänzt zu seinen obigen Ausführungen, dass er auf den Mainstream-Turnieren die Möglichkeit, sich mit Tänzer*innen der gleichen Altersstufe zu vergleichen, sehr schätzt. Es werden im DTV nicht nur Hauptgruppen, sondern auch in Abhängigkeit vom Alter verschiedene Masterkategorien angeboten, dies erweitere die Startmöglichkeiten gerade gegenüber dem Equality-Bereich. Auch unterstreicht er, dass das Tanzen auf diesen Turnieren die Sichtbarkeit des Equality-Tanzsports und nicht zuletzt der queeren Community unterstützt: Sie hatten bspw. in Blackpool das Gefühl, durch ihren Auftritt bei Zuschauer*innen mit eher kritischer Haltung einen Wow-Effekt erreicht zu haben. Das Tanzen auf Equality-Turnieren würden sie aber keinesfalls nicht aufgeben.
Tania & Ines fanden das Tanzen in Blackpool ein sehr tolles Erlebnis. Die Konkurrenz von 120 Paaren und das Erreichen des 54. Platzes bleibt in Erinnerung. Wenn sie sich entscheiden müssten, würden sie sich aber immer für Equality-Turniere entscheiden.
Rafal & Grzegorz ergänzen, dass für sie das Tanzen auf den Mainstream-Turnieren die sportliche Weiterentwicklung aufgrund der größeren Konkurrenz ganz deutlich fördert. Sie haben zwar auchschon einmal aufgrund der zeitlichen Konkurrenz ein Equality-Turnier nicht getanzt, trotzdem bleiben die Equality-Turniere die „Familie“, in der sie sich wohl fühlen.
Thomashatte 2017 mit Stephan mit dem Wiener Walzer Contest das erste offene Turnier getanzt, und von 130 Paaren den 8. Platz erreicht. Der Blick in die Wertungen zeigte, dass einzelne Wertungsrichter*innen mit ihnen (als Männerpaar) wenig anzufangen wussten, und sich wahrscheinlich von einer politischen Wertung nicht ganz frei machen konnten. Er sieht trotzdem die Zukunft in beiden Welten: Blackpool & Co. sowie Equality-Turniere.
Peterunterstreicht die Bedeutung von einem guten Wertungsgericht. Seiner Auffassung nach ist die Qualität der Wertungsgerichte auf Equality-Turnieren außerhalb Deutschlands häufig von wenig überzeugender Qualität (bspw. Pink jukebox trophy mit nur 3 Wertungsrichter*innen). Diese führen dann öfters zu sehr frustrierenden Ergebnissen und tun dem Equality-Tanzsport keinen Gefallen – und machen die Mainstream-Turniere ggf. deutlich attraktiver.
Petra & Carolin (waren nicht dabei, hatten aber vorab ein kurzes Statement geschrieben) sind regelmäßig in andere Länder (England, Holland, Italien) zu traditionsreichen Turnieren gereist und haben sich von allen Seiten immer sehr willkommen und wohl gefühlt. Diese Reisen haben einer regelmäßigen Teilnahme an Equality-Turnieren nie im Wege gestanden.
Welche Wünsche und Erwartungen haben die Tänzer*innen, die noch nicht auf Mainstream-Turnieren gestartet sind?
Mehrere Tänzer*innen unterstreichen, dass es für sie finanziell sowie aufgrund des Zeitaufwands nicht darstellbar ist, allein mit Equality-Turnieren auf eine angemessene Anzahl an Turnierstarts zu kommen, so dass die Sicherheit für das Turniergeschehen fehlt. Das betrifft bei Weitem nicht nur A-Klasse-Paare, sondern gerade auch Paare, der D-/C-Klassen, die erst mit dem Turniertanzen beginnen. Für Paare, die aus weniger verkehrsgünstig liegenden Region kommen und/oder in deren Region kaum bzw. gar keine Equality-Turniere angeboten werden, sind die finanziellen Belastungen hoch. Gerade Paare, die noch am Beginn ihrer „Equality-Tanzsportkarriere“ stehen, fühlen sich davon abgeschreckt. Auch zeigen sich Probleme bei der Suche von Partner*innen, weil eine Person, die den notwendigen Reiseaufwand auf sich nehmen will, erstmal gefunden werden muss.
Die rein zahlenmäßig stärkere Konkurrenz ist für alle Klassen ein relevanter Aspekt. Das gilt aufgrund der kleineren Startfelder vor allem für die Männer*paare.
Weiterhin wird bemängelt, dass es zu wenig Angebote im Equality-Tanzen spezifisch für Paare in den Senior*innen-Klassen gäbe. Verschiedene Tänzer*innen sehen die Unterscheidung des DTV in Altersstufen Masters I bis Masters IV als attraktiv an. Einzelne empfinden bspw. die Vorstellung als frustrierend, aufgrund der fehlenden feineren im Equality-Bereich Altersabstufung vorauss. nicht mehr Wiener Walzer in einem Equality-Turnier tanzen zu können.
Alle Tänzer*innen unterstreichen, dass sie keinesfalls auf Equality-Turniere verzichten würden. Einige haben sich bewusst aufgrund der besseren Atmosphäre bzw. wegen der alleinigen Möglichkeit, dort Equality-Tanzsport zu zeigen (Führungswechsel etc.) für diese Turniere entschieden und hegen keinen Wunsch nach einem Start auf DTV-Turnieren. Andere sehen, dass auf Equality-Turnieren der erstmalige Start eine deutlich geringere Hürde darstellt, weil ein wohlwollendes Publikum sicher ist. Die Community und die Atmosphäre sind nicht nur unschlagbar, sondern es wird noch lange einen Wohlfühlraum für queere Menschen brauchen. Nicht alle möchten „auch in der Freizeit“ um Akzeptanz und Anerkennung für alternative Lebensmodelle kämpfen. Damit stellen Equality-Turniere nicht nur eine „schöne Abwechslung“ dar, sondern werden auf längere Zeit weiterhin notwendig sein.
Für eine Tänzerin ist es wenig akzeptabel, dass beim DTV zwei Frauen* bzw. zwei Männer* beim Solotanzen zwar nebeneinander tanzen dürfen, aber weiterhin nicht miteinander. Auch wird die Bedeutung unterstrichen, dass das dritte Geschlecht an allen Turnieren teilnehmen kann.
Mark Hebell macht darauf aufmerksam, dass in DTV-Turnieren verschiedene Regeln herrschen, die vielen Equality-Paaren fremd sind. Es müsse uns allen klar sein, dass wir in den „Normalbetrieb“ des DTV integriert würden, dazu gehören Schrittbegrenzungen, Startbücher, Kleidungsregelungen etc.. Auch die Flexibilität in Bezug auf Partner*innenwahl und Partner*innenwechsel, das parallele Tanzen im DTV- und Equality-Bereich mit unterschiedlichen Partner*innen sowie die Genehmigungspflicht für Auslandsstarts wäre davon berührt. Diesen Regeln wären die Paare dann bei ihren Starts auf DTV-Turnieren und seiner Auffassung nach teilweise sogar generell unterworfen (z.B. bei der Genehmigungspflicht für Auslandsstarts).
Auch für Eva Wortmann wird das grundsätzliche Interesse an Mainstream-Turnieren durch das dortige Aufstiegssystem über Punkte und Platzierungen deutlich getrübt. Durch diese wird ein „fleißiges Abarbeiten“ von möglichst vielen Turnieren belohnt, und weniger das gute Tanzen.
Welche Auswirkungen sind bereits auf die Equality-Turniere zu spüren oder erwartet Ihr? Kommen weniger zu den Equality-Turnieren oder sogar mehr? Werden Klamotten und Führungswechsel angepasst?
Thorsten Dreyer wusste aus UK zu berichten, dass die Öffnung bisher nicht dazu führte, dass die Equality-Turniere kleiner werden. Eher kommen auch noch Equality-Paare aus Universitäts-Tanzsportturnieren zum Equality-Turnier (vor allem wegen der schöneren Stimmung). Der UKEDC steht weiterhin zu Equality-Turnieren, auf denen ausschließlich Equality-Paare tanzen dürfen. Allerdings sehen sie sich in einer rechtlich unsicheren Position, weil die Öffnung der Turniere natürlich auch anders herum gefordert werden könnte – also für Mainstream-Paare auf Equality-Turnieren. Die vorsorglich rechtssichere Lösung bei der pink-jukebox-Trophy ist die Mitgliedschaft aller Tänzer*innen in einem Verein, der dann ein vereinsinternes Equality-Turnier ausrichtet. Dies ist mit dem Gleichberechtigungsgesetz vereinbar.
Eine Tänzerin unterstreicht ihre Hoffnung, dass sich bei einer Öffnung der DTV-Turniere mehr Equality-Paare bilden, die dann die Basis für unsere Turniere erweitern kann. Sandra und Julia Schüning machen dagegen auf mögliche negative Veränderung der Equality-Turniere (Stichwort „Stimmung“, Stichwort „safe space“) aufmerksam. Diese könne dadurch entstehen, dass Paare ohne Beziehung zur queeren Community nun zu den Equality-Turnieren strömen würden. Personen, die in Solo- und Duo-Turnieren starten bzw. Personen (zumeist) Frauen, die sich aufgrund von fehlenden Partnern für das Tanzen mit einer Person gleichen Geschlechts entscheiden, haben ggf. andere Motivationen für die Teilnahme an einem Equality-Turnier. Nicht zwingend teilen diese Personen eine offene und zugewandte Grundhaltung zur queeren Community. Grundsätzlich stellt die immer größer werdende Turnierlandschaft für Solo-Turniere bzw. Duo-Synchro zwar eine Konkurrenz für Equality-Tanzsport dar, fängt aber vor allem auch die Tänzer*innen auf, die der queeren Community bisher distanziert gegenüberstehen. Auch das Equality-Tanzen auf DTV-Turnieren könnte wahrscheinlich von vielen Paaren genutzt werden, die eher aus der Solo- bzw. Duo-Synchro-Szene kommen.
Mark Hebell unterstreicht, dass er es als großes Risiko einschätzt, dass eine Öffnung der DTV-Turniere allein mit einer Öffnung der DVET-Turniere machbar ist. Es sei nicht vermittelbar, dass der Wunsch nach Teilhabe nur als Einbahnstraße gangbar wäre, zumal ein solches ausschließendes Verhalten auch dem bisherigen Selbstverständnis der Equalityszene widerspräche.
Viele Tänzer*innen dagegen unterstreichen, dass eine eindeutige Priorität darin besteht, dass die Equality-Turniere auch weiterhin allein für Equality-Paare offen sind. Eine Entwicklung, die zu einem Wegfall der Equality-Turniere führen würde, sei nicht akzeptabel.
Nach Ole’s Auffassung gibt es viele Fürsprecher für Equality-Tanzsport in den verschiedenen Verbänden. Es gibt bereits jetzt viele Möglichkeiten Equality-Tanzsport zu betreiben, die über die Turniere des DTV hinaus gehen. Ein besserer Austausch allein kann schon dazu führen, dass sich die zahlreichen Möglichkeiten für die einzelnen Paare erweitern – ohne dass wir auf eine Änderung auf Seiten des DTV warten müssten.
Kerstin unterstreicht, dass die Sporthoheit des DVET Bestand haben muss. Das funktioniert allerdings nur, wenn auch wir die Sporthoheit des DTV respektieren. Nur gemeinsam als DVET und DTV können wir einen Weg finden, der für beide Seiten akzeptabel ist. Das bedeutet, dass wir als DVET keine Forderungen zur Öffnung der DTV-Turniere aufstellen, sondern den DTV auf seinem Weg nur beratend zur Seite stehen können.
Zum Abschluss
Kerstin bedankt sich im Namen von pinkballroom und DVET für die interessante und sachorientierte Diskussion. Wir haben viele verschiedene Facetten zu dem Thema erfahren. Sicherlich hatten wir kein repräsentatives Meinungsbild beim Symposium, aber viele Gedanken, die es auf jeden Fall Wert sind, bei dem weiteren Vorgehen zu bedenken. Kerstin nimmt noch keine „Lösung“ für alle Fragen mit. Die Berichte aus UK und Österreich machen aber Mut, weil dort die Öffnung von Mainstream-Turnieren auch ohne Verlust der Equality-Turniere einher ging. Sicherlich war es eine überfällige Diskussion und es zeigt sich auch an dieser Diskussion, dass eine Änderung überfällig ist.
Die Originalfassung findet ihr hier: https://www.pinkballroom.de/?p=7470